Mit Verstand altern by Koch Marianne; Dr. med

Mit Verstand altern by Koch Marianne; Dr. med

Autor:Koch, Marianne; Dr. med. [Koch, Marianne; Dr. med.]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: dtv
veröffentlicht: 2024-05-16T00:00:00+00:00


Kapitel 7

Schmerzen –

und wie man sie behandelt

»Diese verfluchten Nerven!« – Wie oft stoßen wir diesen Seufzer aus, wenn wieder einmal der Rücken, das Knie oder ein Zahn schmerzt. Obwohl wir eigentlich wissen, dass uns unser Körper damit ein gut gemeintes Warnzeichen gibt, dass etwas nicht stimmt und wir uns darum kümmern sollten.

Schmerzen sind also wichtig. Auch wenn sie manchmal wie ein schwarzer Schatten über dem Leben liegen, wenn sie Depressionen, den Verlust der Lebensfreude verursachen – wenn nämlich aus akuten Beschwerden eine chronische Krankheit geworden ist.

Nehmen wir also unsere Schmerzsignale ernst. Gleichzeitig sollten wir uns darüber im Klaren sein, dass Schmerzen ein vielschichtiges, nicht immer präzise zu definierendes Phänomen sind.

Zunächst scheint alles einfach zu sein: Ich verletze mich an der Hand. Die sensiblen Nerven in der Haut und in den Muskeln melden: Alarm! Verletzung! Die Information wird weitergeleitet zum Rückenmark, dort in Bruchteilen von Sekunden übertragen an andere Nerven, die das Geschehen im Gehirn melden. Von dort gelangt die Information zur Bewusstseinsebene und ins Schmerzzentrum, sodass ich die Verletzung heftig spüre – und dann alles tun kann, um sie zu behandeln. So weit, so verständlich. Wobei es immer darauf ankommt, ob die Nerven einen Schaden melden oder ob sie selbst Schaden genommen haben: Die Therapie ist jeweils eine andere.

Inzwischen aber hat man auch den Schmerz an sich als etwas Rätselhaftes erkannt. Nämlich als ein Signal, das auf sehr unterschiedliche Weise wahrgenommen wird. Es gibt viele Dokumentationen, die davon berichten, dass Soldaten im Krieg schwerste Verletzungen erlitten, ohne überhaupt etwas zu spüren. Erst als sie in Sicherheit waren und als sich Ärzte um sie bemühten, setzte die Schmerzwahrnehmung ein. Oder denken wir an den Placeboeffekt: Ein Scheinmedikament wird dem Patienten als wirkungsvolles Mittel geschildert – und siehe da: Seine Schmerzen lassen spürbar nach. Das heißt, es gibt viele Beweise dafür, dass Schmerz beeinflussbar ist und durch das Bewusstsein, aber auch unbewusst gesteuert werden kann. Und, wie wir wissen, manchmal sogar als Lust empfunden wird.

In der Vielfalt der Schmerzwahrnehmung und -verarbeitung spielt auch die Tatsache eine Rolle, dass wir selbst im Gehirn Substanzen herstellen, die eine dem Morphium ähnliche, also eine schmerzunterdrückende Wirkung haben: die Endorphine. Andererseits hat unser Gehirn die fatale Eigenschaft, einen länger, also über Wochen oder Monate, anhaltenden Schmerz nicht mehr loslassen zu können, sodass er zum »Schmerzgedächtnis«, zu einem chronischen Leiden wird. Und das, obwohl die eigentliche Ursache vielleicht längst behoben oder verheilt ist. Das bedeutet natürlich, dass wir alles tun sollten, um diese Chronifizierung zu verhindern.

– Das ist aber jetzt schon sehr kompliziert …

Stimmt. Aber es erklärt, warum die Medizinhochschulen seit einigen Jahren – endlich! – Schmerzbehandlung als festen Teil des Medizinstudiums eingeführt haben. Warum sie spezielle Schmerzexperten und -expertinnen ausbilden, sodass fast überall Schmerzzentren entstehen. Und warum wir in vielen Fällen eine chronische Schmerzkrankheit nur »multimodal«, das heißt durch das Zusammenwirken von Ärzten, Psychologen, Physiotherapeuten und den Patienten selbst heilen können.

Ich war mehrere Jahre lang Präsidentin der Deutschen Schmerzliga und habe dabei viel gelernt. Zum Beispiel, dass Schmerz eben nicht gleich Schmerz ist, sondern dass man die vielfältigen Beschwerden – Migräne, Rückenschmerzen, Neuralgien nach Gürtelrose usw.



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